So, nachdem das hier ja wirklich gelesen wird, mal meine Leibspeise. Wer hätte es gedacht - Pizza. Ich werde 2 verschiedene Varianten der Teigherstellung beschreiben, Variante 1 heute. Variante 1 ist direkte Teigführung, Variante 2 mit Biga - einem Vorteig, der alleine fermentiert, bevor der eigentliche Teig entsteht. Vorab aber ein paar grundsätzliche Sachen mit viel Klugscheisserei und Theoriegelaber.
Der Zucker
Wir brauchen KEINEN Zucker für eine Pizza. NIRGENDS. Nicht im Teig und nicht in der Tomatensauce. Finger weg vom Zucker.
Das Mehl
Versucht ein 00er zu bekommen. Das gibt es z.B. beim Rewe und im Kaufland für ca einen Euro und heißt einfach Pizzamehr. No Name. Wichtig ist immer der Eiweißgehalt. Je höher der ist, umso elastischer wird der Teig und umso besser lässt er sich dann formen, denn es entstehen mehr und stabilere Klebereiweiße. Das berühmte Gluten. Deswegen wird ein glutenfreier Pizzateig niemals so werden wie einer mit. Sorry für alle Allergiker. Unser Universalmehrl 405 hat zumeist 10% Eiweiß, das 00er vom Kaufland hat 12%, manche Mehle bis zu 14%. Das beste Mehl für Pizza, das ich kenne ist das rote von Caputo. Da ist man allerdings mit 2,50 für's Kilo dabei und man bekommt es fast nur online, was es dann dank Versand noch etwas teurer macht.
Die Tomaten(sauce)
Dosentomaten sind das Mittel zum Zweck. Keine Tomate hierzulande hat so ein Aroma, daß es sich lohnt frische Tomaten zu verwenden. Aber lasst bitte die 39 Cent Dose stehen. Schaut hinten auf die Zutatenliste. Da sollte nix ausser Tomaten und evtl. Tomatensaft drauf stehen. Steht da z.B. Citronensäure drauf, dann lasst den Mist im Regal. Das ist erstens zumeist ein Hinweis, daß diese Tomaten aus China kommen, zum zweiten ist es ein sicherer Hinweis darauf, daß zum schälen der Tomaten Natronlauge verwendet wurde, die danach mit Säure neutralisiert wurde. Dann schmecken die Tomaten nämlich säuerlich und der Sparfuchs, der den Preis mit 39 Cent super fand, schüttet dann Zucker in die Tomaten. Kauft gleich gescheite Qualität, dann habt ihr Tomaten pur. Bei Rewe ggibt es eine Hausmarke für 59 Cent, die ist ohne Citronensäure. Allerdings auch sehr wässrig, deswegen auch nicht meine erste Wahl. Und Achtung, auch Oro di Parma, die so super italienisch aufgemacht sind - eigentlich in allen Sorten Citronensäure drin. Ich empfehle MUTTI Tomaten. Zur Sicherheit auch hier hinten drauf schauen, es gibt eine oder zwei Sorten, die haben auch Citronensäure drin. Lasst auch den Quatsch mit bereits gesalzenen Tomaten oder mit Basilikum drin, stehen. Wozu sowas? Machen wir frisch rein - genau soviel wie wir wollen. Die Dose MUTTI gibt es z.B. bei Rewe, Kaufland, Marktkauf und Real. Manchmal bei Penny als Aktionsware. Preis zwischen 99 Cent und 1,39. Mit einer Dose komme ich bei 4-6 Pizzas aus. Der Kostenfaktor ist als eher nebensächlich.
Es gäbe als Rolls Royce auch noch die berühmten San Marzano Tomaten, die mir persönlich aber zu mineralisch daher kommen (Vulkanerde). Da die auch gleich mal 3 Euro die Dose kosten, sicher für die meisten nicht das Produkt der Wahl.
Der Käse
Mozzarella. Und ein klein wenig Parmesan.
Kein Edamer, kein Emmentaler und kein Gouda.
Mozzarella di Buffala ist toll, aber nicht zwingend notwendig. Kuhmilchmozzarella geht auch. Wenn man Fior di Latte auftreiben kann, ist er in meinen Augen sogar besser als Büffelmozzarella. Wichtig ist, den Mozzarella klein zu schneiden oder zu rupfen und ein wenig die austretende Molke abtropfen zu lassen. Die suppt nämlich auf der Pizza rum und verbrennt auch recht schnell. Notfalls nehmt ihr Mozzarella aus der Tüte. Nicht toll, aber besser als andere Käsesorten. Parmesan oder auch Grana Padano (für Experimente Peccorino) bitte aals Stück kaufen und selbst reiben. Das in den Beuteln ist das was der Putzer am Abend vom Boden der Käsefabrik auffegt
Belag
Basilikum. Olivenöl. Fertig.
Drauf darf was schmeckt. Ich rate aber von mehr als 3 unterschiedlichen Zutaten ab und davor das Motto "Viel hilft viel" anzuwenden. Wer eine Pizza Hawaii oder eine "mit Allem", weil man will ja was für's Geld, das man dem Mafiosi gibt, bevorzugt, der nehme bitte bei den oben erwähnten Dingen das billigste 405er, 39 Cent Tomaten, haue in Teig und Sauce Zucker rein und werfe einen ganzen Würfel Hefe in den Teig, der mit warmem Wasser in 2 Stunden hochgezogen wird. Knoblauch, Zwiebeln und Ketchup in der Tomatensauce bitte nicht vergessen. Und den billigsten Gouda den man finden kann verwenden, den OBEN DRAUF und verbrennen lassen. Lecker. Nicht.
Gerne von mir zum Basilikum dazu genommen: Knoblauch (besser noch, selbstgemachtes Knoblauchöl) Nduja (sehr scharfe Streichsalami, kleine Brocken davon), ganz dünn geschnittene Salami (nach dem Backen drauf), ganz dünn geschnittene, frische Champions (auch nach dem Backen drauf), hauchdünner Parmaschinken (richtig geraten, nach dem Backen drauf), Peperoncini, Grillgemüse, Oliven und Kapern. Pfifferlinge, Steinpilze und Trüffel wäre eine Luxusversion (nicht alles 3 auf einmal drauf).
Viel Klugscheisserei, ich weiß. Sorry. Aber wer sich dran hält, der wird halt ne gute Pizza bekommen. Die anderen können weiterhin bei Ranjif aus Kalkutta bestellen, dem ich nichtmal meine Kaffeemaschine anvertrauen würde
Und nun das Wichtigste:
Der Teig
Variante 1 ist eigentlich sehr einfach. Man braucht nur Zeit. Ein Teig der mit allem möglichen (Wärme, Zucker, Honig, viel Hefe) schnell in einer Stunde hochgezogen wird, der schmeckt halt einfach nicht und ist auch zäh wie Bolle. Den darf man dann auch ausrollen, was man bei meinem Teig tunlichst nicht machen sollte, da sonst die mühsam eingebrachte Luft wieder rausgequetscht wird.
Los geht's. Ich habe ja auch nur einen normalen Haushaltsbackofen, ein Ooni Koda soll demnächst mal her. Grandioses Teil und sehr günstig. Wir machen eine Hydration von 65% (auf 1 kg Mehl 650 g Wasser). Das sollte bei einem Haushaltsofen das Minimum sein, die Pizza ist relativ lang im Ofen und verleirt da ordentlich an Feuchtigkeit - und wir wollen ja keinen Keksboden. Je mehr Wasser drin ist, desto fluffiger wird der Teig, aber desto schwerer ist auch die Verarbeitung, weil er klebt wie Sau. Bei der anderen Variante gehen wir mit der Hydration etwas höher.
Zutaten:
1 kg Mehl (abwiegen und dann feststellen, daß in der Packung genau 1 kg war)
650 g kaltes Wasser (abwiegen, die Skala im Meßbecher ist nicht sonderlich genau.
1 g frische Hefe
25 g Meersalz (fein gemahlen)
15 g Olivenöl (muß kein besonders teures sein, aber vielleicht auch nicht das allerbilligste)
Vom Wasser ein klein wenig was weg nehmen und in eine kleine Schale geben, darin die Hefe auflösen. Restliches Wasser in eine Schüssel, Mehl dazu und grob vermengen. Tuch drüber und 30 Minuten stehen lassen. Bei der folgenden Autolyse bilden sich erste Klebereiweißketten. Nach den 30 Minuten, das Mehl/Hefe Gemisch und das Öl zugeben und alles ordentlich 15 Minuten lang kneten (ich empfehle Küchenmaschine, geht aber auch per Hand. Muß aber wirklich so lange sein. Nach 5 Minuten kneten das Salz einarbeiten. Wenn das nach 15 Minuten ein homogener Teig ist, ihn ihn eine Schüssel mit Deckel geben, oder Klarsichtfolie um die Knetschüssel drum rum. Versucht eine halbwegs glatte Kugel hin zu bekommen. Und nun ab in den Kühlschrank. Mindestens 12 Stunden, besser 24 Stunden. Nicht nervös werden, der geht nicht wirklich auf.
Dann den Teig raus holen, in ca. 250 g schwere Kugeln portionieren, wieder auf eine glatte Oberfläche achten und dann entweder in einer Plastikbox mit Deckel oder einzeln in kleinen Schälchen mit Klarsichtfolie drüber wieder in den Kühlschrank. Ich öle die Schüsselchen, bzw. die Box ganz leicht ein. Erleichtert das rausnehmen. Nach frühestens 24 Stunden (der Teig kann im Kühlschrank locker 72 Stunden verbringen) rausholen und 3-5 Stunden bei Raumtemperatur stehen lassen. Fertig. Wenn ihr den Teig anlangt, merkt ihr schon, wie weich und trotzdem stabil der ist.
Ofen, am besten mit Pizzastein oder -stahl, mindestens ne Stunde volles Rohr, was die Kiste her gibt, vorheizen. Den Teig kann man mit der Hand ausziehen, so weich ist der. Dabei möglichst nicht auf den Rand drücken, der soll ja aufgehen. Luftblasen an anderen Stellen kaputt machen. Ihr braucht einen Teigschieber (gibt es ganz günstig aus Holz im Netz). Notfalls geht ein Ofengitter mit Backpapier drauf zum Transport. Die Pizza muß vom "Transportmittel" auf den Stein gleiten können. Und nun ein Trick für den Haushaltsofen, damit der Käse und anderes nicht verbrennen. Teig ausziehen, Tomatensauce drauf und 3 Minuten in den Ofen. Pizza raus, Mozzarelle, ein ganz klein wenig Parmesan, frischen Basilikum und ein paar Spritzer Olivenöl drauf und nochmal 3 Minuten in den Ofen. Ein wenig mit Auge arbeiten. Wenn der Mozzarella blubbert, dann ist die Pizza fertig, egal ob das nun 30 Sekunden weniger oder 1 Minute mehr sind. Hängt ja auch vom Ofen ab. Wer keine Umluft hat, sollte die Pizza beim zwischenzeitlichen herausnehmen mal um 180 Grad drehen. Sonst wird sie hinten schnell dunkel. Wer gerne diese kleinen, etwas verbrannten Stellen am Teig mag, die man im Holzofen bekommt, der kann nach dem rausholen aus dem Ofen etwas mit einem kleinen Küchenbrenner (gibt's im Baumarkt) nachhelfen.
Ach ja, um den Teig mit der Hand auszuziehen, gebe ich Hartweizengries auf die Arbeitsfläche, kein Mehl.
Ich entschuldige mich bei allen, die ich im Verlauf dieses Rezeptes beleidigt habe. U.a. bei dem Herrn aus Kalkutta.
Mahlzeit.
P.S.: Sollte ich was vergessen haben - einfach fragen.