Seite 1 von 1

Statement vom Colos-Saal in Aschaffenburg zur aktuellen Lage im Veranstaltungsbereich

Verfasst: Mo 25. Mai 2020, 08:48
von Epiphonator
Claus Berninger vom Colos-Saal zur aktuellen Situation!

„So geht`s nicht weiter! Colos-Saal pausiert bis Ende August!

Nach 70 Tagen Lockdown, vom Virus und der Politik erzwungenen, hat der Colos-Saal nun die Nase voll und entscheidet selbst: Der Club bleibt bis zum 31.8.2020 definitiv geschlossen. Alle geplanten Konzerte für Frühjahr und Sommer sind verschoben oder komplett abgesagt. 56 Veranstaltungen sind bislang ausgefallen. Etwa 50 weitere waren im Sommer bis Ende August noch geplant. Wir haben aber nach wie vor keine Rechtssicherheit bezüglich der Frage, wann wir denn die Arbeit wieder aufnehmen können und werden sie auch in absehbarer Zeit nicht erhalten. Daher steigen wir vorerst aus, machen eine Pause und warten die weitere Entwicklung ab.

Aber gestattet uns einen (langen) Kommentar zu dieser Situation:
Es macht einfach keinen Sinn mehr, alle 14 Tage auf die nächste Pressekonferenz in Berlin oder München zu warten, in der unerfüllten Hoffnung auf eine maßgebliche Ansage, wie es denn in der Konzertbranche weiter gehen soll, denn am Tag danach konnten wir jedes Mal wieder die nächsten zwei Wochen des Programms absagen. Es gibt für die Clubs keinen wirklichen Plan der Politik, die weiterhin nur auf Sicht fährt und sich über Lockerungen ziemlich uneinig ist.

Wie simpel wäre das Leben, wenn man ein aluhuttragender Coronaleugner wäre? Man könnte heftig auf „die da oben“ eindreschen, scharf gegen alle Einschränkungen des öffentlichen Lebens protestieren, gegen das Herunterfahren der Wirtschaft auf die Straße gehen und richtig Dampf ablassen, dabei jede Menge Schuldige anklagen. Aber so einfach ist das ja alles nicht. Das Virus ist nicht verschwunden, sondern bleibt gefährlich. Kein Wunder, dass Kanzleramt und die Ministerpräsidenten herumeiern und –irren. Keine/r will die Verantwortung für ein weiteres Ischgl tragen.

Einzelne Bundesländer signalisieren sogenannte Lockerungen für die Kultur. In Hessen können seit dem 9. Mai Theater, Opern- und Konzerthäuser wieder öffnen, ab 30. Mai auch die Kinos. In Mecklenburg-Vorpommern sind seit 11. Mai Galerien, Ausstellungen, Museen und Gedenkstätten wieder zugänglich. In Rheinland-Pfalz dürfen ab Ende Juni Veranstaltungen mit bis zu 150 Personen stattfinden - selbstverständlich alles unter dem Vorbehalt von Hygienemaßnahmen, Erfassung der Teilnehmer und Einhaltung der Abstandsregeln. Der thüringische Ministerpräsident will sogar ab 6. Juni sämtliche Coronabeschränkungen aufheben. Bayern blockt dafür komplett, öffnet vorerst nur Biergärten und Gaststätten. Welch ein heilloses Durcheinander!

In der Welt der geförderten Kultur, in den Museen, Theatern und Opernhäusern wird tatsächlich ernsthaft darüber nachgedacht, den Betrieb unter Beachtung aller Einschränkungen wieder aufzunehmen und dabei die meisten Plätze freizulassen, um die Abstandsregeln hinzukriegen. In der privatwirtschaftlich organisierten Kulturwelt aber, zu der der Colos-Saal und hunderte andere Live-Music-Clubs, aber auch etliche Kabarett- und Kleinkunstbühnen gehören, wäre das finanzieller Selbstmord, ganz abgesehen von der Frage, wovon die zigtausend Künstler und Veranstaltungstechniker überhaupt noch leben könnten, die auf die Spielstätten als temporäre Arbeitsplätze angewiesen sind, wenn es aus Live-Veranstaltungen nichts mehr zu verteilen gäbe. Immerhin ist gerade den Musikern der Tonträgermarkt durch Streaming Dienste bereits vor Jahren zusammengebrochen, was nur durch Tourneen und mehr Konzerte kompensierbar war.

Aber viel wichtiger noch ist die Frage: Geht das überhaupt? Rock und Pop unter Hygienemaßnahmen, mit Mundschutz und Abstandsregeln? Wer kann sich diesen Cultural Clash denn ernsthaft vorstellen? Diese beiden Genres verbinden die Menschen und führen zu emotionalen Gemeinschaftserlebnissen. Wir kommen zusammen, um Musik sinnlich zu erleben, wir bewegen uns, tanzen, rocken ab. Wir feiern die Musik und die Künstler gemeinsam, wir reagieren mit unseren Körpern auf Lautstärke und Dynamik, im besten Fall werden wir im Publikum für ein paar Stunden zu einer einzigen Woge der Gemeinschaft. Wir treffen uns mit Freunden und Gleichgesinnten auf den Konzerten, gehen gemeinsam aus, wollen Menschen kennenlernen. Wir bringen Menschen zusammen und gerade die Live-Clubs (aber auch die Diskotheken und Bars) existieren überwiegend genau zum gegenteiligen Zweck, nämlich eigentlich um die derzeit propagierte Social Distance zu überwinden.

Körperliche Nähe von Menschen und durchfeierte Nächte sind ja nicht nur Begleiterscheinung, sondern eigentlich Quintessenz des popkulturellen Nachtlebens. In einem gemeinsamen offenen Brief formulieren die Betreiber von über 30 Musikclubs in Deutschland es folgendermaßen: Clubs seien "kollaborativ gestaltete Räume konkreter Körperlichkeit", die im Rahmen von Veranstaltungen mit musikalischen Programmen bespielt werden. Der sozio-kulturelle Habitus, das gemeinsame Tanzen und Feiern sowie die Kommunikation in diesen geschlossenen Räumen würden bei Einhaltung der behördlichen Verordnungen fehlen und den Veranstaltungen damit den Reiz nehmen. Auch Konzerte leben von Nähe und dem gemeinsamen Erleben des Bühnengeschehens. „Außerdem ist das Spielen eines Konzertes oder einer Show mit Abstandsregeln für Künstlerinnen und Künstler auf der Bühne kaum durchführbar."

Nein, so funktioniert das alles nicht, denn es passt nicht zusammen. Rock `n`Roll vor leeren Reihen unter sterilen Bedingungen ohne Körperkontakt ist für das Colos-Saal-Team auf Dauer nicht vorstellbar. Es wäre das Gegenteil dessen, weshalb wir alle unsere beruflichen Leidenschaften im Musikzirkus gefunden haben. Ein packendes, ergreifendes und emotionales Konzerterlebnis ist für die meisten unserer Programminhalte essentiell und unabdingbar für die Art Kultur, die wir mit dem Colos-Saal repräsentieren.

Es funktioniert so nicht und es darf andererseits aber auch nicht passieren, dass die Konzertereignisse zu gefährlichen Infektionsherden werden. Ein Widerspruch, der für uns derzeit nicht lösbar ist. Wir würden nichts lieber, als sofort wieder weiter arbeiten. Aber sowohl die Eigenverantwortung als auch die politischen Reglementierungen verbieten es uns. Es bleibt vorerst nur der Wartezustand.

Wir sorgen mit dieser Entscheidung, bis Ende August zu pausieren, für Klarheit bei unseren Besuchern und für eine Pause angesichts des chaotischen Zustands, in dem sich die komplette Konzertbranche derzeit befindet. Hinter den Kulissen geht es rund. Bereits Anfang März war die Unsicherheit aller Beteiligten sehr groß, als die einzelnen Bundesländer urplötzlich größere Veranstaltungen unterbanden, kleinere aber noch zuließen. Das war für die bekannteren Acts bereits der Todesstoß für ihre Tourneen, sofern sie sowohl in größeren Hallen als auch in Clubs spielten, denn ihre Konzertreisen, monatelang vorgeplant und mit etlichen Vorschüssen an Arbeit und Geld vorbereitet, gingen auf einmal nicht mehr auf.

Gleichzeitig machten etliche Länder nach und nach ihre Grenzen dicht und die international tourenden Acts kamen überhaupt nicht mehr an ihren Spielorten an. Bayern veröffentlichte am 16. März die Allgemeinverfügung, die sämtliche Veranstaltungen verhinderte. In ganz Deutschland wurde versucht, noch anstehende Tourneen und Konzerte zu retten, in dem man sie aus dem März und April in den Sommer legte und sämtliche Konzerttermine verschob. Die Spielstätten hatten urplötzlich keine Einnahmen mehr bei weiter laufenden Kosten, mussten schließen und hatten trotzdem massiv viel Arbeit mit der Terminumplanung und den entsprechenden Informationen an Kartenkäufer und Medien.

Die großen Ticketsysteme kamen spätestens mit der Absage aller Festivals überhaupt nicht mehr nach und setzen möglicherweise mangels Liquidität auf die Gutscheinlösung. Künstler, Techniker, Produktionsfirmen, Bühnenbauer, Agenturen, Konzertveranstalter haben keinerlei Einnahmen mehr, dafür umso mehr Rückzahlungspflichten wegen der Ausfälle. Erste Insolvenzen gab es schon, weitere werden folgen.

Gab es im März und April noch die Hoffnung der Branche, wenigstens im Sommer irgendwie weiter machen zu können, platzt diese Illusion von Woche zu Woche erneut in Endlosschleife und mittlerweile werden Veranstaltungen bereits zum zweiten und dritten Mal verschoben. Wer noch Hoffnung hat, verschiebt vom Sommer auf Herbst und Winter 2020. Viele Teilnehmer trauen diesem Jahr aber gar nicht mehr und suchen Ihr Glück in der Flucht ins kommende Jahr. Ein Blindflug ohne Orientierung der gesamten Konzertbranche nach dem Prinzip Glaube und Hoffnung.

Nun ist das Konzertgewerbe ein Zweig, der eigentlich von akribischer Vorplanung lebt. Monate, manchmal Jahre im Voraus werden Spielstätten gebucht, wird investiert, wird Werbung geschaltet, wird Personal angeheuert, wird Geld ausgegeben, wird Erwartung geschürt, werden Karten verkauft. Aber es gibt nun mal seit 10 Wochen keine funktionierende Planung mehr, weil alle in einem Zustand der Rechtsunsicherheit arbeiten müssen. Außerdem sind die Fans ja nicht doof. Im ganzen Land wird berichtet, dass es fast gar keine Ticketverkäufe mehr gibt. Die Millionen potentieller Besucher der Events sind genau so verunsichert, einerseits wegen der Frage, ob man in nächster Zukunft überhaupt ohne Gefahr für die Gesundheit Veranstaltungen besuchen kann, andererseits darüber, ob angekündigte Ereignisse der nächsten Monate denn überhaupt stattfinden werden oder ob der jeweilige Veranstalter seine angekündigten Events überhaupt noch finanzieren und realisieren kann.

Eine Branche mit zigtausenden Beschäftigten wird realistisch gesehen mindestens ein halbes Jahr aussetzen müssen, bundesweite Tourneen wird es vorerst nicht geben, internationale sind aufgrund der unterschiedlichen Reisebedingungen in den einzelnen Staaten nicht organisierbar. Viele Akteure der Szene befürchten sogar, dass es noch wesentlich länger dauern wird. Manche bangen, in 2020 gar keine Konzerte mehr zu erleben können. Alle wissen, dass der Wiedereinstieg ins Veranstaltungsgeschehen in weiter Ferne liegt und sehr mühsam werden wird. Alle wissen, dass ein großer Teil der Branche das nicht überleben wird. Alle wissen, dass es hinterher viele Spielstätten nicht mehr geben wird. Hat es solch einen Blackout, eine solch lange Zwangspause in einer anderen Branche schon mal gegeben?

Der Colos-Saal zieht nun die Reißleine und richtet sich auf einen langen Break ein. In dieser Gemengelage ist seriöse Planung nicht mehr leistbar. Wir können nicht irgendwann im Sommer einfach öffnen, denn unser Programm ist wie oben beschrieben zusammengeschmolzen wie Eis in der Sonne und das potentielle Publikum ist stark verunsichert. Wir brauchen Planungsvorlauf zur Wiedereröffnung, ein klares Datum, werden es aber so schnell nicht kriegen.

In der Coronakrise haben viele Menschen täglich dazu gelernt und mittlerweile haben sie auch gelernt, dass bislang Undenkbares ganz schnell passieren kann – das Herunterfahren des kompletten öffentlichen Lebens, der Wirtschaft und der Bildungseinrichtungen, das Vorhandensein bislang ungeahnter Milliardenreserven des Staates, das Tragen von Gesichtsmasken als Normalzustand, Verschwörungstheorien als alternative Fakten, um ein paar Beispiele zu nennen.

Vielleicht lernen wir als Gesellschaft im kommenden Sommer weiterhin so schnell dazu und finden einen Weg, besser nicht in eine neue Normalität, sondern zurück in ein Leben in Gemeinschaft - ohne soziale Distanz als erklärtes Allheilmittel. Nur dann werden Rock und Pop auch wieder auf die Bühnen zurückkehren. Der Colos-Saal hat vor, seinen Stillstand ab September zu beenden und wieder Programm anzubieten. Ob es auch durchgeführt werden kann, können wir derzeit nicht garantieren.

Claus Berninger für das Colos-Saal-Team

PS: Online bleiben wir natürlich weiterhin am Ball und melden uns gelegentlich zu Wort – außerdem bereiten wir einige Konzertstreams vor.

PPS: Aufmerksame Leserinnen und Leser finden tatsächlich aktuell noch zwei nichtabgesagte Veranstaltungen in unserem Augustprogramm auf colos-saal.de. Diese Termine werden wir aber auch noch verschieben.“

Re: Statement vom Colos-Saal in Aschaffenburg zur aktuellen Lage im Veranstaltungsbereich

Verfasst: Mo 25. Mai 2020, 08:56
von Epiphonator
Das Colos-Saal ist dabei allerdings in der guten Lage, dass man zu Beginn der Krise eine beachtliche Spendensamlung gemacht hat, die diese Entscheidung bis Ende August nichts zu machen sicher erleichtert. Wie sieht es aber mit den vielen anderen Clubs usw. aus, wie mit den Technikern und Verleihern. Ich vermute dass, sollte es mal wieder sowas wie ein „normales“ Konzert geben, die Preise dafür bestimmt 20-30% ansteigen werden. Wie seht ihr das?

Re: Statement vom Colos-Saal in Aschaffenburg zur aktuellen Lage im Veranstaltungsbereich

Verfasst: Mo 25. Mai 2020, 10:41
von cameron poe
Für mich ist es ein heißes Eisen, ich verstehe absolut die Konzertveranstalter, die teilweise, hier beim Colos Saal scheinbar nicht so schnell, mit ihrer Existenz kämpfen. Aber Konzerte wie bisher durchzuführen, da spricht natürlich die Ansteckung dagegen.

Autokino Konzerte wären m.M. sicher, aber das hilft Veranstalter nicht weiter, die keinen Außenbereich haben. In Bayern wird dies aber m.M. in absehbarer Zeit sowieso nicht möglich sein. Es bleibt schwierig.

Re: Statement vom Colos-Saal in Aschaffenburg zur aktuellen Lage im Veranstaltungsbereich

Verfasst: Mo 15. Aug 2022, 13:59
von djrene
Ich pack das mal hier mit rein. Statement der Band MANTAR. Das Original steht auf meiner FB-Seite Rock in Süddeutschland.

DAS WIRD JETZT KURZ WEHTUN:
Das was ihr hier seht, ist das was für 2022 übrig bleibt.
Und bevor wir ins Detail gehen, lasst uns euch versichern, dass NIEMAND mehr gefrustet, desillusioniert und deprimiert ist, als wir selber. Wir und zig andere Bands, denen es gerade genauso geht. Und es geht nicht darum hier rumzuheulen. Hat noch nie was genützt und ist nicht unser Stil.
Wir wollen euch keine Scheiße erzählen und hier von “logistischen” Gründen oder “reasons beyond our control” rumschwafeln. Nein, es ist an der Zeit sich den Sand aus den Augen zu wischen und einfach zu sagen was Phase ist: Wir sind am Arsch. Ihr offensichtlich auch.
Seit nunmehr JAHREN hoffen wir wie viele andere, dass sich die Lage beruhigt und wieder “Normalität” einkehrt. Leider sieht das jedoch nicht so aus. Links und rechts, oben wie unten, werden gerade wieder massenhaft Konzerte abgesagt und wenn möglich wiedermal verschoben. Und das ist erst der Anfang. Der Grund dafür ist einfach: Es werden viel zu wenige Tickets gekauft. Hier geht es nicht darum uns zu beschweren, sondern nur darum die Lage zu erklären.
Die Leute sehen volle Stadien bei Rammstein, eine gut gelaunte Menschenmasse beim lokalen Ärzte-Konzert und versöhnliche Bilder in der Tagesschau vom Rock Am Ring. Das ist jedoch leider nicht das, was wir erleben. Sondern wir sind damit konfrontiert, dass einfach kaum Tickets im Vorverkauf gekauft werden und damit gerechnet werden muss, dass wenn wir die Konzerte dennoch auf Biegen und Brechen spielen wollen, wir ordentlich drauf zahlen werden. Geld welches wir leider nicht haben. Und es geht nicht nur um uns, sondern auch um die Veranstalter*innen, die genauso ins Klo greifen. Fakt ist: Konzerte zu spielen und zu veranstalten kostet Geld. Ab einer gewissen “Größe” der Band sogar 'ne ganze Stange. Wenn man aber grundsätzlich damit rechnen muss, dass die Kohle nicht wieder reinkommt, dann sieht man am Ende leider ziemlich Scheisse aus. Somit muss leider auch einer unserer Supports (Nightmarer) absagen, weil sie sich das Touren in Deutschland unter den gegebenen Umständen sprichwörtlich nicht leisten können. Klingt traurig, ist es auch.
Wir wissen wir sind nur eine von vielen Bands und der Zuspruch und Absatz unserer neuen Platte zeigt, dass wir offenbar mehr Fans als je zuvor haben und all die netten Worte und Lobpreisungen waren schön, aber ändern nichts an der Realität. Die meisten von euch haben bereits zig Tickets für das restliche Jahr in der Schublade, Shows auf die ihr euch gefreut habt wurden bereits mehrfach verschoben oder abgesagt und wir verstehen auch, dass viele einfach keine Kohle haben. All das steigert nicht gerade die Zuversicht. Oder ihr müsst euren Kopf leider einfach gerade mit anderen Dingen füllen als Konzerttickets zu kaufen, denn die Welt hat sich entschieden NOCH weiter abzufucken. Damit das 100% klar ist: WIR VERSTEHEN DAS. Uns geht es auch so. Es geht hier nicht um "Schuld". Doch Ende liegt es in eurer Hand. Wenn ihr wollt, dass die Nummer irgendwann wieder normal wird und die Kuh langsam vom Eis soll, dann wird das nur was, wenn Tickets gekauft werden und die Leute auf Konzerte gehen. Leider sieht es aber so aus, dass der VVK etwa bei 30% - 50% (teilweise schlimmer...) von dem liegt was mal “normal” war. Ja: Aua.

Solche Zeilen zu schreiben tut weh, denn nach einigen echt schrottigen Jahren hätten auch wir uns eher eine große “Wiedergutmachung-Party” verdient. Genau wie ihr. Und sowieso alle irgendwie... Aber is’ leider nicht. Denn die Situation lässt für uns wenige Alternativen zu. So bitter es auch ist.
Wir nehmen all das nicht persönlich und es kratzt auch nicht an unserem Ego, denn wir wissen, es geht gerade fast allen Bands in unserer Grössenordnung so. Dennoch tut es weh, nervt und macht, dass man sich jeden Tag mehr Gedanken um die eigene Zukunft machen muss. Vl. im nächsten Leben einfach ein paar Sommerhits mehr schreiben... ZDF Fernsehgarten z.B. läuft IMMER.
Lange Rede, kurzer Sinn: Das was ihr seht, ist das was wir durch Verlegung, Verschiebung, oder reine Zuversicht retten konnten. Nichtsdestotrotz freuen wir uns auf euch! So oder so. Vielleicht mehr denn je. Für alle die jetzt von den Absagen betroffen sind tut es uns mehr als nur leid. Wir hoffen sehr, dass wir es alsbald endlich schaffen. Aber gerade lässt es sich einfach nicht ändern. Natürlich bekommt ihr eure Tickets dort erstattet wo ihr sie gekauft habt.
Also, wenn jetzt wieder Shows abgesagt werden, egal ob von uns oder anderen Bands, oft mit knappen Statements, wisst ihr wenigstens warum: Die Bands und Veranstalter können sich keine Experimente mehr leisten. Es ist zappenduster.


Danke für eure Aufmerksamkeit.
Hanno & Eros.

Re: Statement vom Colos-Saal in Aschaffenburg zur aktuellen Lage im Veranstaltungsbereich

Verfasst: Mo 15. Aug 2022, 14:15
von Epiphonator
Das ist sicher so zu erwarten gewesen und es ist zu befürchten, dass es nach den großen Volksfesten im Herbst wieder komplett Essig ist mit Veranstaltungen

https://www.rosenheim24.de/bayern/kulmb ... 1.amp.html

Re: Statement vom Colos-Saal in Aschaffenburg zur aktuellen Lage im Veranstaltungsbereich

Verfasst: Mi 24. Aug 2022, 10:20
von Epiphonator
Liebe Real Music Lovers,
lasst Euch nicht täuschen von den vielen bunten Bildern in Medien und sozialen Netzwerken, die uns signalisieren, die Kultur sei wieder voll erblüht und es gäbe eine riesige Nachfrage nach Konzerten und anderen Events. Für die sommerlichen Open Air Veranstaltungen mag das teilweise stimmen. Aber die ganze Wahrheit sieht anders aus: die komplette Szene steuert möglicherweise auf die nächste Katastrophe zu. Alle Indoor-Spielstätten, von den Liveclubs bis zu den Theatern, Hallen und Kleinkunstbühnen im ganzen Land berichten mehr oder weniger offen, dass es für ihre Hauptsaison ab Herbst kaum relevante Kartenvorverkäufe gibt.

War die Freude seit April 2022 in der Live-Szene zunächst riesig, endlich wieder ohne Einschränkungen Konzerte und sonstige Events durchführen, besuchen und genießen zu können, zeigt sich von Woche zu Woche deutlicher, dass die mangelnde Nachfrage nach Tickets für die nächsten Monate zunehmend Entsetzen und erneut Existenzängste auslösen - bei Künstlern, Agenturen, Veranstaltern und allen involvierten Dienstleistern. Heutzutage sind Vorverkaufsergebnisse der Gradmesser für wirtschaftlichen Erfolg oder Misserfolg von Veranstaltungen und die Beteiligten können früh erkennen, ob ein Konzert, eine Veranstaltung oder eine Tournee den erwarteten Zuspruch finden wird. Bleiben Ticketverkäufe Woche für Woche auf niedrigem Niveau, ist eine defizitäre Veranstaltung zu erwarten, was sich aber nach der über zweijährigen, coronabedingten Durststrecke niemand mehr leisten kann.

Wer genau hinschaut wird feststellen, dass täglich überall im Land viele Einzelveranstaltungen und komplette Tourneen – ja sogar einzelne Festivals - für das Restjahr 2022 abgesagt werden, obwohl es zur Zeit keine schädlichen Veranstaltungsauflagen gibt. Es mehren sich die Stimmen, die nicht mehr wie üblich organisatorische Probleme oder Erkrankung als Absagegrund und Ausrede angeben, sondern offen und ehrlich kommunizieren, dass hauptsächlich wegen der Kaufzurückhaltung der Fans die Notbremse gezogen wird, um ein finanzielles Fiasko der Veranstaltungen zu vermeiden. Mutige Aussagen wenn man bedenkt, dass das Selbstwertgefühl von Künstler*ìnnen leiden muss, wenn ihre Kunst nicht gefragt zu sein scheint.

Fans und potentielle Veranstaltungsbesucher*innen hätten es selbst in der Hand, diesem verhängnisvollen Kreislauf zwischen mangelnder Nachfrage und Veranstaltungsabsagen gegenzusteuern. Würden sie Karten kaufen, käme es zu weniger Panikreaktionen und somit zu weniger gecancelten Events. Nur wer kann den Fans und potentiellen Besuchern ihre Zurückhaltung verdenken? Hatten sie doch nun über zwei Jahre erleben müssen, dass sie ihre bereits vor langer Zeit gekauften Karten immer noch nicht einlösen konnten, weil die Veranstaltungen zum x-ten Mal wegen Lockdowns und sonstigen Einschränkungen verschoben wurden. Oder sie hatten Aufwand und Probleme, wieder an ihr Geld für ganz abgesagte Events zu kommen, mussten sich mit Gutscheinregelungen herumschlagen und warten zum Teil heute noch auf Erstattungen.

Nicht nur für Kultur- und Veranstaltungsbranche waren diese beiden Pandemiejahre kaum planbar, auch Millionen von Veranstaltungsbesuchern haben die langandauernden Absagewellen erleiden müssen und waren als „User“ selbst von etlichen Enttäuschungen betroffen. Das Vertrauen der Kartenkäufer*innen ist verschwunden, für den Herbst und Winter bahnt sich ein neues, flächendeckendes Fiasko der Kultur an.

Gar nicht hilfreich, in unserem Zusammenhang sogar schädlich, ist die begleitende, unselige Debatte der Politik über das neue Infektionsschutzgesetz, das noch im August verabschiedet werden soll, um ab Anfang Oktober Gültigkeit zu haben. Noch ist nichts beschlossen aber viele verschiedene Positionen sind verkündet. In der Ampel streiten die Regierungsparteien über den richtigen Weg zwischen größtmöglicher Vorsicht und persönlichen Freiheitsrechten. Zwar soll es nicht mehr zu flächendeckenden Lockdowns kommen, aber das komplette Gruselkabinett kulturverhindernder Maßnahmen zwischen Masken- bzw. Testpflicht und möglichen Kapazitätsbeschränkungen soll den Ländern für den Fall der Fälle erneut zur Verfügung stehen. Heute berät übrigens das Bundeskabinett darüber. Wie das ausgehen kann, müssten wir alle mittlerweile wissen: Jedes Bundesland erfindet seine eigenen Regeln und wird sie wieder verdammt kurzfristig verkünden, bei welchen Grenzwerten auch immer. Deja Vu. Als hätte die Politik aus den letzten beiden Jahren nicht viel gelernt.

In Bayern wird es besonders spannend. Da das von der Staatregierung abgesegnete Oktoberfest am 3. Oktober endet, sind dort möglicherweise erst nach einer kleinen, politischen Schamfrist und somit wohl ab Mitte Oktober etwaige Einschränkungen zu erwarten, auch wenn ebenso zu erwarten ist, dass die bayerischen Regierungsparteien im Bund sich als Opposition verstehen und daher jede Einigung der Ampelkoalition kritisieren werden – egal wie sie ausfallen wird.

Anfang August wurden die ersten Gesetzesentwürfe und Standpunkte bekannt und die auf niedrigem Niveau stagnierenden Vorverkäufe brachen danach erst so richtig ein – überall und fächendeckend. Ein Bärendienst für die komplette Kulturszene, die mit hohen staatlichen Fördermitteln zwei Jahre gerettet werden musste, um sich nun entsetzt mitten im dritten Pandemiejahr zu befinden – nach wie vor ohne jegliche Planungssicherheit – allerdings mittlerweile auch ohne fortgeschriebenen Überbrückungshilfen der Politik, die seit Juni ausgelaufen sind.

Politisches Schönreden hilft da gar nichts. Schon gar nicht der Verweis auf einen erfolgreichen Kultursommer als Beleg des Wiederstarkens der Kultur. Die komplette Veranstaltungsbranche wartet derzeit auf die hohe Politik und fordert – bislang vergeblich – das Erkennen und Verstehen dieses zerstörerischen Teufelskreises aus Unsicherheit, mangelnder Nachfrage und Absagen. Die Verbände der Kultur- und Veranstaltungswirtschaft finden laut eigenen Aussagen keine Ansprechpartner aus Regierungskreisen mehr, die sie auf die angespannte Situation hinweisen können und politische Notfallpläne, um der fatalen Entwicklung gegenzusteuern, existieren nicht. Der Blindflug der Kultur wird weiter gehen und das bestehende Disaster nur noch vergrößern.

Dabei ist die Szene personell ausgeblutet, weil eine hohe Anzahl an unsichtbaren aber immens wichtigen Frauen und Männern hinter den Bühnen, die Techniker, Backliner, Fahrer, Mercher, Bühnenbauer, Securities usw. mittlerweile aus ihrem Beruf ausgestiegen und in anderen Jobs gelandet sind. In der Mehrzahl bis März 2020 als erfolgreich Soloselbstständige unterwegs, mussten sie in den beiden letzten Jahren mit finanziell unzureichenden Hilfsangeboten seitens der Politik klar kommen und viele fühlten sich gezwungen, ihre Existenz in anderen Berufsfeldern zu sichern. Der personelle Aderlass erhöht wiederum die Nachfrage nach Fachpersonal und damit die Kosten für Veranstaltungen. Von der hohen Inflation und den steigenden Energiekosten sind wir ja mittlerweile alle betroffen, was die allgemeine Kaufzurückhaltung noch befeuert.

Zur Wahrheit gehört auch, dass es nicht nur die privatwirtschaftlich organisierte Kultur trifft. Aus der öffentlich subventionierten Theaterszene sind massenhaft Alarmrufe zu hören, die über drastische Auslastungseinbrüche in ihren Häusern berichten. Gemäß der vorherrschenden hohen Altersstruktur der Besucher sind hier die sogenannten Risikogruppen dominant (Ü60/Ü70 und älter), die offensichtlich aus persönlicher Vorsicht derzeit ihre Theater meiden, wie die Pest. Das Abosystem bricht vielerorts ein. Das alles kann nicht gut gehen.

Im Vergleich zu all den Nachrichten, die wir aus der Szene hören, geht es dem Colos-Saal noch verhältnismäßig gut – vielleicht auch wegen unseres fairen Reservierungssystems und seinen Vorteilen für unsere Besucher. Noch verkaufen wir auch Karten für die kommenden Monate, allerdings bei weitem nicht auf dem Niveau vorpandemischer Zeiten. Nur nützt uns das herzlich wenig, wenn wir unser Aschaffenburger Konzert innerhalb einer Tournee noch relativ gut verkaufen, aber das gleiche Konzert bei anderen Tourstationen in den anderen Städten schlecht läuft. Bei einer Tournee ist für die Beteiligten immer das finanzielle Gesamtergebnis im Auge zu behalten und wenn das in anderen Städten defizitär zu werden droht, müssen wir trotzdem damit rechnen, dass auch unser Konzert mit der gesamten Tour abgesagt wird.

Es ist uns hier sehr wichtig, auf die Zusammenhänge hinzuweisen, statt nur herum zu jammern und das eigene Los zu beklagen. Daher versuchen wir hier in diesen Zeilen auch eine Momentaufnahme der gesamten Live-Kulturszene zu beschreiben und gewisse Mechanismen zu erklären, die wir aus unseren diversen Netzwerken und zunehmend auch aus Presseberichten in Erfahrung bringen konnten.

Die tourneebedingten Absagen zwischen Ende August und Oktober im Colos-Saal-Programm sind nicht zu übersehen. Die Gründe: mal sind es die beschriebenen Vorverkaufsergebnissen unter aller Erwartungen, mal Long-Covid-Erscheinungen bei diversen Künstlern und zusätzlich noch der Brexit, der bei Tourneen britischer Künstler eine neue Kostenlawine auslöst. Bislang sind bei uns in diesem Zeitraum die Konzerte von Ian Paice, Ferocius Dog und Marc Broussard verschoben worden. Die Gigs und Tourneen von King`s X, Stan Webb, Y&T, Eric Gales sowie Tito & Tarantula wurden sogar ersatzlos abgesagt. Die angespannte Lage, so vermuten wir, wird in den kommenden Wochen allerdings noch weitere negative Überraschungen bringen, auf die wir kaum Einfluss haben. Absurderweise geschieht dies alles im Moment angesichts deutlich fallender Infektionszahlen.

Wie ist dieser Negativtrend zu stoppen? Das Publikum müsste trotz aller schlechten Erfahrungen wieder anfangen, Karten zu ordern und die Politik muss dringend die Kultur in ihre Zukunftszenarien mit eindenken und hoffentlich im Herbst schonen. Beides wird allerdings nur passieren, wenn Experten und Politik irgendwann mehrheitlich und guten Gewissens das Virus als allgemeines Lebensrisiko bewerten können und die Hospitalisierungsraten niedrig bleiben. Ansonsten droht der Kultur eine dritte und vierte Nullrunde in 2022 und 2023, somit großer, vielleicht irreparabler Schaden.

Ein letztes noch in eigener Sache: Trotz düsterer Aussichten bleibt das Colos-Saal-Team verhalten optimistisch und stemmt sich gegen sämtliche Negativtrends, indem wir es beispielsweise sogar wagen, unseren Personalstamm zu verstärken. Es bleibt uns zur Zunkunftssicherung nichts anderes übrig. Wir müssen neue Leute einstellen und anlernen, denn bei uns werden in den nächsten Jahren mehrere Mitarbeiter in den wohlverdienten Ruhestand gehen. Gewöhnt Euch schon mal an drei neue Gesichter bei uns ab September. Darüber mehr im nächsten Newsletter.

Wir sehen uns (hoffentlich) auf den Konzerten.